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Ich werde oft gefragt: „Patrick, was ist der Unterschied zwischen einem Rückläufer und einem Stoppball?“ Schließlich wird die weiße Kugel ja bei beiden Stößen unterhalb der Mitte angespielt, und viele Bücher und (selbsternannte) Experten warten mit vermeintlich präzisen Formeln auf, die zum Beispiel lauten: Beim Stoppball spielt man die Weiße ein Lederbreit unterhalb der Mitte an, beim Rückläufer weiter unten. Die Unterscheidung in Rückläufer und Stoppball, die angeblich mit verschiedenen Anspielpunkten erzeugt werden, führt so weit, dass manche Spieler glauben, die weiße Kugel würde damit in völlig unterschiedliche Zustände versetzt. Das ist Quatsch, und im folgenden Beitrag erkläre ich Dir, warum.
Stoppball und Rückläufer sind exakt der gleiche Stoß
Richtig ist vielmehr: Der Rückläufer und der Stoppball sind exakt der gleiche Stoß. In beiden Fällen wird der weißen Kugel Rückwärtsrotation mitgegeben, indem sie unterhalb der Mitte angespielt wird. Direkt nachdem die weiße Kugel getroffen wurde, rutscht sie also rückwärts rotierend nach vorne. Durch die Reibung auf dem Tuch und die eigene Trägheit verliert sie nach und nach an Rückwärtsrotation, während sie weiter nach vorne rutscht. Schließlich kommt sie an einen Punkt, an dem sie keine Rotation mehr hat, bevor sie anfängt zu rollen und nicht mehr rutscht.
Drei Phasen
Wir haben also drei Phasen bei diesem Stoß:
- „Rotations-Phase“: Die weiße Kugel rotiert rückwärts und rutscht nach vorne.
- „Kipp-Phase“: Die Weiße hat keine Rotation mehr, rutscht ohne Rotation nach vorne.
- „Roll-Phase“: Die weiße Kugel beginnt zu rollen.
Je nachdem, in welcher Phase die weiße Kugel auf einen Objektball trifft, passieren unterschiedliche Dinge (zur Einfachheit nehme ich hier erst einmal an, dass die Weiße den Objektball immer 100% voll trifft, ohne Winkel):
- Rotations-Phase: Die weiße Kugel gibt alle Vorwärtsbewegung an den Objektball ab. Sie bleibt kurz stehen, dann greift die Rückwärtsrotation und beschleunigt die weiße Kugel nach hinten. Wir haben einen Rückläufer gespielt.
- Kipp-Phase: Die weiße Kugel gibt alle Vorwärtsbewegung an den Objektball ab. Da sie keine Rotation mehr hat, aber noch nicht rollt, bleibt sie stehen. Wir haben einen Stoppball gespielt.
- Roll-Phase: Die weiße Kugel gibt die Vorwärtsbewegung an den Objektball ab und rollt diesem etwas hinterher (ist aber technisch gesehen kein „Nachläufer“, bei dem die weiße Kugel vorwärts rotiert)
Denke einmal darüber nach und stelle sicher, dass Du das verstanden hast: Ich rede hier von exakt dem gleichen Stoß, der drei verschiedene Auswirkungen haben kann: Rückläufer, Stoppball, leichtes Hinterherlaufen. Je nachdem, nach welcher Strecke die Weiße auf einen Objektball trifft. Der gleiche Stoß kann also Rückläufer oder Stoppball sein. Was z.B. auf einen Abstand von 30 cm zwischen weißer Kugel und Objektball noch zum Rückläufer wird, ist auf einen Abstand von 60 cm nur noch ein Stoppball. Entscheidend für das Verhalten der Weißen nach dem Kontakt mit dem Objektball ist immer, in welchem Zustand sie sich beim Kontakt befindet: Welche Geschwindigkeit und welche Rotation hat sie in diesem Moment? Das trifft übrigens auf jeden Stoß zu, nicht nur auf Stoppbälle und Rückläufer.
So veränderst Du die Menge an Rückwärtsrotation
Wie lang diese einzelnen Phasen sind, das heißt, an welcher Stelle die Weiße kippt und zu rollen anfängt, hängt mit der Menge an Rückwärtsrotation zusammen.
Zwei Faktoren haben darauf Einfluss:
- wie weit unterhalb der Mitte die weiße Kugel getroffen wird
- wie schnell das Queue durch die weiße Kugel beschleunigt wird
So kann ich zum Beispiel den gleichen Stoppball (gleiche Distanz zwischen weißer Kugel und Objektball) auf unterschiedlich Arten spielen: knapp unterhalb der Mitte mit mehr Tempo oder weiter unterhalb der Mitte mit weniger Tempo (und alle Abstufungen dazwischen). Das gleiche trifft auf Rückläufer zu.
Insofern ist die Behauptung aus der Einleitung, einen Stoppball spiele man knapp unterhalb der Mitte an und einen Rückläufer weiter unten, schlicht Unsinn. Ich muss stattdessen lernen, die Menge an Rückwärtsrotation zu dosieren, damit ich auf jede Distanz einen Stoppball spielen kann (hier habe ich nur wenig Toleranz, da die Kipp-Phase nur kurz ist), und auch, damit ich Rückläufer von unterschiedlicher Länge spielen kann. Denn ich will ja nicht immer nur den gleichen Rückläufer spielen: Mal soll die weiße Kugel nur ein paar Zentimeter zurücklaufen und mal über den ganzen Tisch.
Was Du Dir merken und was Du üben solltest
Merke Dir einfach diesen beiden Dinge:
- Stoppball und Rückläufer sind der gleiche Stoß.
- Die Menge an Rückwärtsrotation beeinflusst Du mit dem Treffpunkt an der Weißen und der Geschwindigkeit, mit der Dein Queue durch die Weiße beschleunigt.
Praktisch solltest Du dann einfach üben, auf verschiedene Distanzen und mit verschiedenen Kombinationen von Treffpunkt und Geschwindigkeit Stoppbälle und Rückläufer zu spielen. Je länger du das machst, desto genauer kannst Du Stoppball und Rückläufer spielen. Solltest Du generell Schwierigkeiten damit haben, Rotation an der Weißen zu erzeugen, trainiere Deine grundlegende Stoßtechnik (mehr dazu in meinem Buch).
Ich habe schon sehr auf den nächsten Beitrag gewartet und das ist genau mein aktuelles Thema, nämlich wiederholbare und vor allem konstante Rückläufer zu spielen. Stopbälle aus verschiedenen Distanzen klappen gut, aber der Rückläufer ist eher ein Zufallsprodukt. Werde mal anhand der Tipps daran gezielter zu arbeiten
Freut mich, dass ich da einen „wunden Punkt“ treffe. Wenn Du schon Stoppbälle auf verschiedene Distanzen spielen kannst, dann kannst Du auch schon einige Rückläufer 🙂 Ich vermute mal, dass es Dir insgesamt noch schwer fällt, mehr und dosierte Wirkung zu erzeugen. Da hilft Stoßtraining mit dem Fokus auf lockerem (passivem) Handgelenk, Beschleunigung und Geradlinigkeit (kein Schaufeln, sondern parallel zur Tischplatte durch den Ball beschleunigen). Viel Erfolg weiterhin!